Grüne Festivals? Von Müllproblemen und merkwürdigen Lösungsansätzen

by gruenartig

Der Sommer kommt und mit ihm die wunderbare Open Air Saison. Ich liebe Konzerte an der frischen Luft und ganz besonders liebe ich Festivals. Neue Bands entdecken, freundliche Zeltnachbarn kennenlernen, verrückte Leute beobachten. Festivals sind wie ein Paralleluniversum fernab des Alltags. Und wenn nach 3 Tagen alles vorbei ist, bleibt ein wehmütiger Blick zurück. Die Zelte werden abgebaut und die Fläche für ihre Ursprungsbestimmung freigeräumt. Fast alles wird wie vorher, nur nicht so grün. Wo zehntausende Menschen täglich mehrfach zwischen Zeltplatz und Festivalgelände wandern, bleiben sichtbare Spuren. Denn die Besucher produzieren Müll – tonnenweise. Vielfach mit einer nonchalanten “Wen kümmert’s”-Haltung. Da werden ganze Zelte, Drei-Bein-Grills, Pavillons und Campingstühle stehen gelassen. Sie wurden nur für dieses Wochenende zum Schnäppchen-Preis eingekauft – als Einweg-Camping-Bedarf. Die Festival-Betreiber versuchen dagegen zu steuern, aber treffen mit ihren “grünen” Ideen genau diejenigen, die am wenigsten dafür können.

 

 

Müllpfand auf dem Festival

Als Beispiel führe ich im Folgenden das Hurricane Festival an: Weil ich es am Besten kenne und auch dieses Jahr wieder besuche. Außerdem hat sich das Hurricane-Festival seit einigen Jahren auf die Fahne geschrieben, immer grüner zu werden. Dafür haben sich die Organisatoren einiges einfallen lassen: Mit Fahrrädern betriebene Bühnen, kostenlose Anreisetickets mit dem Metronom, der Grüner Wohnen Zeltplatz, Mülltrennungsstationen und natürlich der Müllpfand. Ich finde diese Gedanken an erster Stelle wichtig und meist auch sinnvoll und richtig. Aber im Ernst: Das mit dem Müllpfand muss anders gelöst werden.

Im Prinzip klingt es ja erstmal schlüssig: Jeder Besucher zahlt beim Ticketkauf zehn Euro mehr und bei Abgabe seines Mülls, bekommt er diese 10€ wieder zurück. Das Ganze wäre wirklich toll, wenn jeder Festival-Besucher gleich viel Müll produzieren würde. So sieht es in der Realität aber nicht aus. Stattdessen sind beispielweise die Besucher des Grüner Wohnen Zeltplatzes darum bemüht, möglichst wenig Müll zu produzieren. Pappteller werden durch mitgebrachtes Campinggeschirr ersetzt, das Zelt kommt ordentlich verstaut wieder Zuhause an und der Getränkepfand wird im heimischen Supermarkt eingelöst. Pro Person ein ganzer, voll gepackter Müllsack in drei Tagen? Kaum möglich und doch ist das zwingende Bedingung zur Einlösung des Pfandchips. Nun sagen die Betreiber: “Dann lauft halt über den Zeltplatz und sammelt den Müll von anderen ein. Wir wollen ja schließlich alle, dass es hinterher wieder gut aussieht”.

Stimmt. In der Konsequenz bedeutet das allerdings: Diejenigen, die möglichst viel Müll produzieren, profitieren verstärkt vom Pfandsystem. Am besten plant man also schon beim Einkaufen ein, große Verpackungen auszuwählen? Und dann bekommen die Chaoten in Mordor ihre 10€ easy erstattet, hinterlassen ihren Platz jedoch trotzdem wie Sau. Während andere Festivalgänger wirklich bemüht sind und zum Dank am Sonntag für die Umweltverschmutzer aufräumen sollen. Ernsthaft? Die ersten Schlitzohren verbreiten zur Lösung zweifelhafte Ideen auf Facebook: “Bringt doch einfach einen vollen Müllsack von Zuhause mit…”

 

 

Weniger Müll für alle – so könnte es tatsächlich klappen

 

In der Erziehung wird geraten, positives Verhalten zu belohnen. Und da sich einige Besucher tatsächlich wie kleine Kinder benehmen, passt dieser Vergleich ganz gut. Positiv verhalten sich die Besucher vom Grüner Wohnen Camping. Die Konsequenz sollte eine Erlassung des Müllpfandes sein. Oder noch besser: Sie können günstiger zum Festival reisen, weil sie sich wirklich um ihre Umwelt schweren. Und zur Kontrolle des Platzes hat das System der Selbstregulierung doch wunderbar in den letzten Jahren geklappt. Übrigens: Warum gibt es keinen Grünen Womo Platz?

Wird ein Festival dadurch uncool? Gehört es nicht dazu, sich einmal im Jahr von allen Zwängen zu befreien und sich richtig gehen zu lassen? Ich finde: Nein! Bei einem Festival geht es um ein gutes Miteinanders, um Musik und Spaß. Das hat nichts mit Umweltverschmutzung zu tun.

Ganz davon abgesehen, sind 10€ ein geringer Antriebsfaktor zur Müllbeseitigung. Wenn das Geld schon ein halbes Jahr vorher bezahlt wurde, ist es in den Köpfen der Menschen abgeschrieben. Umso leichter fällt es, auf die Abgabe des Müllsackes zu verzichten. Anders sähe es allerdings mit einem “Bußgeld” vor Ort aus. Zum Beispiel: Jede Besuchergruppe, die bspw. ohne Zelt wieder abreisen möchte, muss 20€ Strafe zahlen. (Dafür muss nur noch ein festivaltaugliches Wort gefunden werden). Ein ähnliches Vorgehen wurde beim Open Air St. Gallen tatsächlich schon durchgeführt.

Nur wer kontrolliert das System? Mein Vorschlag: Lotsen! Natürlich wird nicht jeder “Umweltsünder” gefasst – doch manchmal zählt schon allein die Drohung als Abschreckung.

Was mich übrigens noch mehr verwirrt: Das Hurricane bietet Müllsortierungsstationen, aber der Müllpfand gilt für gemischten Müll. Ergibt das einen Sinn? Mein Vorschlag: Wer seinen Müll direkt an der Station richtig sortiert einwirft, bekommt noch eine Getränkemarke on top. Und bei der Abreise kann gelten: Wer einen tippitoppi Platz hinterlässt, bekommt einen 5€ Rabattgutschein für andere Events des Veranstalters.

 

 

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1 comment

Cosima | Ricemilkmaid Blog 25. Mai 2016 - 17:38

Sehr tolle Ansätze, die du da hast. Ich war leider erst bei einem Festival – dem Splash! im Jahr 2013 – und war total schockiert, wie viel Müll die Leute hinterlassen. :/ Schön, dass zumindest ein bisschen was passiert, aber du hast schon recht, der Ansatz ist völlig falsch.

Liebe Grüße
Cosima

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