Warum wir aus ökologischer Sicht lieber einen Altbau sanieren, statt neu zu bauen

by gruenartig
Nachhaltig wohnen

In meinem Familien- und Freundeskreis ist der Hauskauf-Wahnsinn ausgebrochen. Die einen haben gerade ihr neues Zuhause gefunden oder gebaut, die anderen wandern von Besichtigung zu Besichtigung. So wie wir. Unsere Suche wird länger als der durchschnittliche Richtwert eines Jahres dauern. Weil der Immobilienmarkt quasi leer ist und auch, weil wir ganz besondere Vorstellungen haben. Möglichst ökologisch sollte unser Traumhaus natürlich sein. Da denken viele an schicke Neubauten mit den besten Energiewerten. Wir denken an einen Altbau aus den 30er Jahren.

Gründe, die für einen Altbau sprechen, gibt es viele. Sehr persönliche aber auch objektive. Aus ökologischer Sicht macht es ebenfalls Sinn: Warum etwas Neues bauen, wenn ein altes Haus schon an dem Ort steht, den man sich für sein restliches Leben vorstellen kann?

 

Lage, Lage, Lage ?!

Denn eines spricht ganz klar für ältere Häuser: Sie haben in der Tendenz eine bessere Lage. Vor allem im Gegensatz zu Neubaugebieten, die meist in ländlichen Randgebieten eröffnet werden. Für uns kommt so viel Ländlichkeit schon aufgrund der öffentlichen Anbindung nicht in Frage. Wenn ich aufgrund der weiteren Strecke nicht mehr mit dem Fahrrad fahren kann, dann brauche ich mindestens eine sehr gute Bahnanbindung. Wer in einem Passivhaus wohnt, aber täglich mit dem Auto zur Arbeit fahren muss, hat nicht ganz zu Ende gedacht.

Letztendlich ist es natürlich eine individuelle Entscheidung, aber für uns geht es auch primär um die Nachbarschaft. Denn wir müssen uns nichts vormachen: Ein Haus mit Garten ist am Anfang super spannend. Man denkt an die netten Gartenfeste und Dinnerpartys, die dann vielleicht einmal im Jahr vorkommen. Fakt ist viel eher, dass der Mensch Abwechslung braucht. Man möchte spontan rauskommen und mit anderen Menschen in Kontakt treten ohne einen weiten Weg auf sich zu nehmen. Wenn der nächstgelegene Weihnachtsmarkt oder das sommerliche Freibad nur 15 Minuten zu Fuß entfernt liegt, kann man das mal eben machen. Wenn man allerdings erst ins Auto steigen muss, bleibt man ehrlicherweise doch zuhause. Es gibt Menschen, denen das Stubenhocker-Dasein gefällt. Wir würden aber kreuzunglücklich werden.

 

Nachhaltige Finanzierung

Aus finanzieller Sicht lohnt sich die Sanierung eines Altbaus für uns ebenfalls. Die Immobilien, die für uns in Frage kommen, weisen kaum noch einen eigenständigen Wert aus. Deren Wert entspricht damit meist dem Grundstückspreis und steht damit in kompletten Zusammenhang mit der Lage. Bei einer guten Lage wird der Preis zukünftig moderat steigen oder stagnieren- das sehen fast alle Experten gleich. Bei einer schlechteren Lage (ich sage nur ländliche Randgebiete) wird es in Zukunft hingegen schwierig, Häuser zu verkaufen. Denn aufgrund unserer Bevölkerungsentwicklung muss es langfristig einen Überschuss an Häusern geben, welches auf dem Gesamtmarkt zu sinkenden Preisen führt.

Meist sind wir daher die einzigen Interessenten, die nicht von Abriss und Neubau sprechen. Abriss und Neubau sind extrem hohe Kosten. Schon klar, auch eine Kernsanierung ist alles andere, als ein Schnäppchen – vor allem, wenn man Wert auf ökologische Materialien legt. Aber die Kosten für Abriss und Neubau übersteigen diese Summe locker. Das kann sich eigentlich nur lohnen, wenn man ein Einfamilienhaus durch ein Doppel- oder kleines Mehrfamilienhaus ersetzt. Und genau das machen im Moment viele Investoren, sofern es der Bebauungsplan zulässt.

 

Ökologisch Planen

 

Energieverbrauch vs. Energieeffizienz

Wir bleiben bei den Einfamilien- oder Reihenhäusern, die nämlich in den für uns relevanten Jahrzehnten schön klein gebaut wurden. Wir finden das gut: Je kleiner das Haus, desto weniger Energiekosten werden benötigt. Deswegen gibt es in den USA auch den großen Trend der “Tiny Houses”. (Und natürlich: Je weniger Quadratmeter, desto günstiger die Sanierung). Bei einem Haus aus den 60er Jahren mit 160 bis 200 qm + Keller könnten wir uns vermutlich weder die Sanierung, noch die Unterhaltung langfristig leisten. Denn die Energiepreise werden steigen – und zwar nicht unerheblich. Aktuell wird von rund 70% Steigerung bis 2025 gesprochen. In einem energieeffizienten aber großen Haus liegt der Verbrauch und damit die Kosten rechnerisch höher als bei einem kleinen Haus mit geringerer Effizienz. Das ist insbesondere dann wichtig, wenn die Nebenkosten als Fixpreis im Alter gelten. Bei einem Haus aus den 30ern mit ca. 100qm geht die Rechnung für uns auf – vor allem wenn entsprechende Fördermittel in Anspruch genommen werden, um in ökologische, energetische Sanierung und Solarthermie zu investieren.

 

Ökologische Baustoffe im Altbau

Last but not least: Wir möchten uns die Möglichkeit offen halten, ausschließlich ökologische Baustoffe zu verwenden. Bei einem Neubau-Projekt greifen die meisten Bauherren auf einen Bauträger oder Generalunternehmer zurück. Diese überlassen allerdings kaum Mitspracherecht bei der Wahl der Baustoffe. Was nützt es mir, in einem Niedrigenergie-Haus zu wohnen, wenn die Dämmeigenschaften durch hoch chemische Bauplatten hergestellt werden? Platten, die nicht organisch zerfallen, sondern in kleinsten Teilchen in der Umwelt verteilt werden.

Außerdem ist es mir wichtig, nicht nur unbedenkliche, sondern auch nachwachsende Rohstoffe einzusetzen. Das fängt beim Putz an, geht auch weiter über den Bodenbelag, bis hin zum Dämm-Material im Dach. Es gibt sehr viele Optionen für Kalk, Lehm und sogar Flachs. Und nein: Das sieht nicht total öko aus. Wenn man dann auch noch alte Dinge aufarbeitet, statt sie durch neue Produkte zu ersetzen, ergibt die Sanierung einen schönen Wertstoffkreislauf und bietet am Ende genau das, was wir haben möchten:

Ein Haus mit persönlicher Note, Charme und Geschichte.

 

Wie ist Eure Einschätzung: Lieber Alt mit Charme oder Neu und modern?

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3 comments

Pat 3. September 2017 - 16:40

Vielen Dank für den tollen Artikel! Ich finde die Idee, einem schon vorhandenen Haus neues Leben einzuhauchen, total toll! Bei uns wird es, weil mein Freund (Bauingenieur) unbedingt selbst bauen will, wohl mal ein Passivhaus 🙂

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Randomisierte Zufallswahrscheinlichkeit 15. Januar 2020 - 15:01

Guter und lesenswerter Artikel.

Gleicht sich das nicht wieder aus oder lässt sich das nur schwer verallgemeiern? Also ich schreibe das als jemand der sich damit kaum auskennt.

(Die meisten) Neubauten erfüllen ja schon die neusten Umweltstandards. Dazu gehören ja effiziezentere Wärmedämmerung, Solaranlagen ( und Solarthermie z.B.) und umweltfreundlichere Baumaterialien. Insbesondere spielt ja auch die Wärme ein große Rolle bei den Co2 Emissionen. Viele Altbauten haben ja noch ineffiziente Heizungen die sehr viel Co2 ausstoßen und die Montage neuer Anlagen erschwert das nochmal. Gleichzeitig werden sowohl bei der Sanierung als auch bei einem Neubau Materialien verwendet.
VIele Altbauten sollten in der Innenstadt saniert werden gleichzeitg Co2 Neubauten kreiiert werden.

Neubauten werden wie soviele andere “Moderne” direkt verteufelt in einigen Kreisen, was echt schade ist.

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gruenartig 17. Januar 2020 - 11:32

Hallo Stefan,
vielen Dank für deine Gedanken und Anregungen! Ja, ich denke auch, dass man Neubauten nicht unnötig verteufeln sollte. Diese haben ebenso ihre Daseinsberechtigung beim Thema Nachhaltigkeit und sind sicher nicht per se “schlecht”. Im Gegenteil. Wichtig ist für mich der Einsatz nachhaltiger Rohstoffe. Die kann man auch im großen Stil bei Neubauten einsetzen, auch wenn das zumindest die meisten Bauträger leider nicht im Sortiment haben. Bei Altbauten müssen bei der Renovierung und energetischen Modernisierung viel weniger neue Materialien dazugekauft werden (da ja schon eine Grundsubstanz vorhanden ist). Zum Thema Heizen und Dämmen habe ich auch schon einen separaten Artikel geschrieben, den findest du hier: https://www.gruenartig.de/holzofen-altbau/ . Denn natürlich kann es nicht der Sinn sein, in einem Altbau zu wohnen, der super viel CO2 ausstößt. Die perfekte Lösung für die Umwelt gibt es wohl leider in beiden Fällen nicht.
Viele Grüße
Jassi

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