Den eigenen Garten oder Balkon naturnah gestalten

by gruenartig
Nützlinge im Garten

Das Insektensterben ist in aller Munde. Und es wird viel gemeckert: Über die Landwirtschaft, die Industrie und die Städteplaner. Was dabei viele vergessen: Auch unsere Hausgärten haben sich verändert und sind schon lange kein Paradies für Insekten mehr. Ein guter Beleg ist der Trend zu betonierten Flächen, wie sie die “Gärten des Grauens” dokumentieren. Wenn wir uns also gegen das Insektensterben einsetzen möchten, sollten wir vor unserer eigenen Terrassentür anfangen. Und nein, ein naturnaher Garten heißt nicht: Einfach wachsen und verwildern lassen. Es gibt zahlreiche Beispiele für Naturgärten, an denen auch das Auge eine Freude hat – bestes Beispiel ist der klassische Bauerngarten.

Warum Naturnah gärtnern?

Tatsächlich betrifft das Insektensterben nicht nur die Bienen, wie man uns häufig vereinfacht glauben lässt. Deswegen ist es reine PR, wenn sich Werbeagenturen einen Bienenstock auf ihr Büro stellen und damit dem “Bienensterben” den Kampf ansagen. Schließlich hat sich der Anteil der Honigbienen seit den 60er Jahren sogar verdoppelt und Honigbienen werden laut Experten das letzte Insekt sein, das ausstirbt.

Es ist aber so, dass nicht nur die Honigbienen für die Bestäubung zuständig sind – sie sind sogar deutlich ineffizienter als Wildbienen und Gartenhummeln und außerdem recht wählerisch bei der Auswahl der Pflanzen. Wenn die Wildbienen und Hummeln aussterben, wäre es eine viel größere Katastrophe. Immerhin: Die meisten Schutzmaßnahmen für Honigbienen kommen auch anderen Insekten zu Gute. Das ist Wichtig, denn die Anzahl der Fluginsekten (also auch Schmetterlinge, Fliegen etc.) ist seit Ende der 80er Jahre mancherorts um bis zu 80% gesunken. Dadurch sinkt das Nahrungsangebot von Vögeln dramatisch und es wird ein Kreislauf in Gang gesetzt, der sich ab einem gewissen Punkt nicht mehr stoppen lässt.

Von Experten werden folgende Hauptgründe für das Insektensterben angeführt:

  • Einsatz von Pestiziden
  • Einschränkung des Lebensraums (z.B. durch betonierte Flächen)
  • Reduktion der Nahrungsvielfalt durch hochgezüchtete Samensorten

Der Artenrückgang ist besonders an der Grenze zu Ackerflächen stark erhöht, was auf einen unmittelbaren Zusammenhang mit der Landwirtschaft hindeutet. Und da in der Landwirtschaft aktuell kein Umdenken in Sicht ist, wird es umso wichtiger, diesem Trend auf unseren Balkonen und in unseren Gärten entgegen zu wirken. Im Folgenden findet ihr ein paar einfache Möglichkeiten, die wir in unserem Garten schon umgesetzt haben und weiterempfehlen können.

Die Auswahl der Pflanzen

Insektenfreundliche Zierpflanzen

Die Optik im Garten ist mir ziemlich wichtig. Deswegen werden wir in diesem Jahr einen kleinen Zaun um die Beete setzen, rundherum ein paar Blümchen setzen und insgesamt mehr Farbtupfer in den Garten einbringen.

Und die Insekten sollen sich natürlich auch an heimischen Wildpflanzen erfreuen und eine bunte Nahrungsvielfalt vorfinden. Hierzulande breiten sich exotische Blumen teilweise rasant aus und verdrängen damit natürliche Blumen. Eine Wildblumen-Mischung erfreut viele Insekten – allerdings ist darauf zu achten, dass es sich meist um einjährige Pflanzen handelt. Da sich die Insekten an gute Standorte gewöhnen, sollte entweder regelmäßig nachgesät werden (wenn die Blumen nicht selbst verwildern), oder auf mehrjährige Pflanzen gesetzt werden.

Bei der Suche nach schönen Blumen sollte man auch darauf achten, dass die Blüten möglichst nicht gefüllt sind, denn bei gefüllten Blüten schaffen es die Insekten nicht an die Pollen / den Nektar zu gelangen. Eine schöne Aufstellung von passenden Pflanzen findet ihr zum Nachpflanzen bei mein schöner Garten.

Übrigens noch ein kleiner Tipp: Vor dem Haus ist es mit einer gepflasterten Auffahrt natürlich schwieriger, diese naturnah zu gestalten. Gleiches gilt für den Balkon. Aber kleinere Töpfe lassen sich ebenso gut bepflanzen und schön arrangieren. Wir hatten bei uns genug Platz und haben eine alte Schubkarre mit unterschiedlichen Blumen bepflanzt. Dafür eignen sich vor allem frostfeste Pflanzen, die einen geringen Wasserbedarf haben. Ich empfehle dafür: Fetthenne (verschiedene Sorten), die für Schmetterlinge eine wahre Freude ist, sowie Lavendel (unser Wildbienenmagnet) und gerne auch ein paar Frühblüher, wie Tulpen und Narzissen.

Immergrüne Bepflanzung

Neben dem Trend der Betonwüsten legen viele Gärtner wert auf einen grünen Garten im Winter. Die meisten dieser immergrünen Gewächse stammen nicht aus unseren Gefilden und stellen dazu noch keinerlei Futterangebot für Insekten oder Vögel dar. NABU-Geschäftsführer Sönke Hofmann sagt sogar:

„Wer Kirschlorbeerhecken pflanzt, begeht ein Verbrechen an der Natur“

https://bremen.nabu.de/tiere-und-pflanzen/pflanzen/21750.html

In unserem Garten haben wir zwei riesengroße Kirschlorbeerbüsche entfernt, auch die zahlreichen Buchsbäume werden noch dran glauben. Nun setzen wir auf heimische Bäume und Sträucher, die zwar im Herbst ihr Laub abwerfen, aber der Natur eine ökologische Vielfalt bieten. Und das Laub wiederum dient ebenfalls der Bodenverbesserung und kann im Winter den Igeln als Unterschlupf dienen. Übrigens: Man muss die Pflanzen nicht teuer im Gartenmarkt kaufen, schaut euch ruhig auf eBay Kleinanzeigen um: So mancher Schatz wird dort zu Beginn der Gartensaison kostenlos zum Selbstausbuddeln angeboten.

Wer dennoch keinen komplett kahlen Garten im Winter haben möchte, sollte sich einige Pflanzen beschaffen, die auch in der kalten Jahreszeit schön aussehen. Bei uns sind das Folgende: Hortensien (Die Blütenstände sehen auch getrocknet sehr schön aus), Zaubernuss (bekommt jetzt schon im Januar gelbe Blüten und gilt als erste Nahrungsquelle für Bienen und Hummeln), Winterschneeball oder Duftschneeball und natürlich Krokusse.

Der naturnahe Nutzgarten

Ein wichtiger Aspekt bei der Auswahl unserer Gemüse- und Obstsorten war die Konzentration auf alte, samenfeste Sorten anstelle von F1-Hybriden. Samenfest bedeutet, dass man aus den Pflanzen selbst Samen gewinnen und diese für das nächste Jahr wiederverwenden kann. Bei F1-Hybriden ist das nicht oder nur bedingt möglich, da sie für den einjährigen Einsatz gezüchtet werden. Im ersten Jahr bringen sie dementsprechend einen extrem hohen Ertrag, doch in den Folgejahren bilden sich, wenn überhaupt, nur sehr schwache Pflanzen aus. Außerdem sind die gezüchteten Sorten sehr anfällig für Schädlinge, da die Landwirtschaft diese meist sowieso mit allerlei Pestiziden behandelt. Bei den sogenannten “alten Sorten” bleibt man demnach unabhängig von der Saatgutindustrie und hat zusätzlich robuste, wenn auch weniger ertragreiche Pflanzen.

Einen weiteren Schwerpunkt wollten wir auf Bio-Samen und Mischkultur legen. Die Mischkultur zeichnet sich dadurch aus, dass sich einige Pflanzen gegenseitig unterstützen (z.B. durch das Fernhalten von Schädlingen) und dadurch besser gedeihen.

Natürlich ist ein “richtiger” Nutzgarten für viele Menschen aufgrund des beschränkten Platzangebotes nicht umzusetzen. Einige Sorten gedeihen allerdings auch super auf dem Balkon bzw. in Kübeln auf der Terrasse. Von Tomaten über Küchenkräuter und Radieschen bis hin zu Erdbeeren lassen sich viele Obst- und Gemüseträume auch auf kleinstem Raum verwirklichen.

Düngen mit Augenmaß

Mein Mann ist der Überzeugung, dass Düngen absolut nicht notwendig sei. Er hat da in gewisser Weise recht, denn ein natürlicher Stickstoffkreislauf ermöglicht es der Natur, sich selbst ausreichend zu versorgen. Ich bin allerdings etwas skeptischer und finde, dass man das Wort “Dünger” nicht per se verteufeln sollte: Natürlich möchte ich auf gar keinen Fall Chemie auf unser Beet lassen, aber kann das Gemüse im Stadtgarten und in Kübeln auch komplett ohne zusätzliche Hilfe auskommen? Die Vorbesitzerin unseres Gartens hatte uns beispielsweise prophezeit, dass der Boden sehr, sehr nährstoffarm sei.

Photo by Lukas from Pexels

Als die zarten Gemüsepflanzen im letzten Sommer wie erwartet überhaupt nicht in die Puschen kam, habe ich biologischen / veganen Dünger eingesetzt. (Ich empfehle Plantura Dünger* (keine Kooperation – selbst gekauft, aber Affiliate Link)). Die Basis dieses Bio-Düngers sind rein pflanzliche Stoffe, die aus Recycling-Prozessen der Lebens- und Futtermittelproduktion entstehen. Nach der einmaligen Düngung sind die Pflanzen richtig toll gewachsen und darüber haben sich scheinbar auch die bestäubenden Insekten gefreut: Wir hatten besonders bei den Tomaten eine reiche Ernte.

In der ökologischen Landwirtschaft gilt Dünger aus Tierkot als unverzichtbar, da es deutlich schneller Stickstoff liefert, als das Umgraben von Boden mit Pflanzenresten. Theoretisch hätten wir sogar die Möglichkeit, an Pferde- oder Hühnermist zu kommen. Aber ich bin in der Hinsicht unschlüssig: Gerade beim Pferdemist vom Reitstall weiß man leider nicht, welche Medikamente und welches Zusatzfutter die einzelnen Tiere hatten. Ich würde diesen Dünger vielleicht für Zierpflanzen verwenden, aber ich möchte nicht, dass die Medikamentenreste in meinem Gemüse landen.

Natürliche Bodenverbesserung

Langfristig steht für uns aber eine natürliche Bodenverbesserung im Vordergrund. In diesem Jahr können wir zum ersten Mal die eigene Komposterde verwenden. Bei kleineren Gärten und für den Balkon lohnt sich ein Bokashi-Eimer*, über den ich hier schon einmal geschrieben habe. Zusätzlich wird eines unserer vier Beete jedes Jahr mit bodenverbesserndem Gründünger bepflanzt – dieser reichert die Erde mit Stickstoff an, anstatt Nährstoffe zu entziehen. Ein Beispiel ist die blaue, einjährige Lupine oder die schöne Phacelia *.

Noch ein Tipp: Bitte kauft keine Blumenerde mit Torf, denn dieses wird durch das Entwässern von Mooren gewonnen und stellt eine endliche Ressource dar. Moore binden mehr Kohlenstoff, als jedes andere Ökosystem der Welt und sind damit unendlich wichtig für den Klimaschutz. Es gibt außerdem super viele Alternativen, z.B. von Neudorff.

Pestizide

Und natürlich ist der Einsatz von Pestiziden für uns Tabu. Wir werden nicht mit Chemie bzw. Gift gegen “Schädlinge” vorgehen. Letztes Jahr hat so ziemlich jeder Gärtner über Blattläuse geschimpft und auch wir hatten eine ganz schöne Plage. Wir konzentrieren uns jetzt darauf, Marienkäfer anzulocken, da diese die Blattläuse in Schach halten. Bis dahin leben wir einfach mit einer etwas reduzierten Ernte und welken Blüten. Ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Schäd- und Nützlingen stellt sich mit der Zeit in jedem naturnahem Garten automatisch ein und erspart dem Gärtner dadurch wertvolle Zeit.

Wer etwas ungeduldiger ist, kann natürliche Hilfsmittel einsetzen. Der Einsatz von Brennesseljauche soll die Pflanzen stärken (Düngung), gleichzeitig Blattläuse vertreiben und der Pilzerkrankungen Mehltau vorbeugen. Da die Jauche unfassbar stinken soll, tun wir uns mit dem eigenen Gebrauch schwer (und unseren Nachbarn durch den Verzicht einen großen Gefallen).

Unterschlupfmöglichkeiten für kleine Gäste

Wenn ihr euren Garten oder Balkon so gestaltet, dass sich viele Tier- und Insektenarten darin ansiedeln, werdet ihr auch schnell selbst positiv davon profitieren. Es gibt tolle Nützlinge, die unerwünschte Schädlinge in euren Beeten und Töpfen bekämpfen – zum Beispiel frisst die gemeine Florfliege zahlreiche Blattläuse. Andere Insekten tragen zur Bodenverbesserung bei – z.B. der Regenwurm. Größere Gartenbewohner wie Kröten, Igel und Vögel haben auf ihrem Speiseplan die lästigen bzw. gefräßigen Schnecken. Es gibt also keinen Grund, warum man sich nicht mit einfachen Mitteln kleine Helfer in den Garten holen sollte.

Photo by Egor Kamelev from Pexels

Die Umsetzung ist denkbar einfach: Eigentlich sind alle Sachen, die ihr sonst aus Ordnungsliebe entsorgen würdet, für Insekten ein toller Lebensraum. Zum Beispiel Totholz vom letzten Baum- oder Heckenschnitt. Eine kleine Ecke mit angehäuften Ästen wird schnell viele Käfer und Bienen anlocken. Wir haben bei uns im Garten einen alten Baumstamm stehen, auf dem ich zusätzlich eine Insektentränke für trockene Perioden aufgestellt habe. Auch Laub oder Rasenschnitt bieten sich an. Insektenhotels gibt es in vielen Variationen, sie sind allerdings häufig eher dekorativ als wirklich hilfreich und zum Teil sogar schädlich. Am einfachsten ist es daher, vertrocknete Blumenstiele über den Winter stehen zu lassen – darin nisten sich Insekten gerne ein und es lässt sich auf dem kleinsten Balkon umsetzen.

Neben den Insekten, können wir auch heimischen Vögeln ein Quartier im Garten bieten. Kleine Vogelhäuser bzw. Nistkästen sehen schön aus und finden schnell emsige Bewohner. Die Häuser sollten in ausreichender Höhe angebracht werden, damit sie vor Fressfeinden geschützt sind und sie sollten zusätzlich einmal im Jahr gereinigt werden. Bei uns haben schon im ersten Jahr kleine Kohlmeisen genistet – im zweiten Jahr haben wir deshalb unsere Siedlung aufgestockt. Vogelfutter könnt und solltet ihr übrigens das gesamte Jahr bereitstellen. Viele Vögel finden hierzulande aufgrund der oben aufgeführten Probleme nicht mehr genug Nahrung. Ein einfacher Tipp zum Nachmachen sind übrigens meine selbstgemachten, veganen Meisenknödel.

Checkliste naturnahes Gärtnern

Zusammengefasst möchte ich Euch hier meine Checkliste für einen naturnahen Garten oder auch Balkon bereitstellen:

  • Boden/Erde natürlich verbessern durch Kompost/Bokashi und Gründüngung
  • Keine Pestizide einsetzen
  • Heimische Zierpflanzen für bestäubende Insekten verwenden (regelmäßig nachsäen)
  • Auf immergrüne exotische Pflanzen, wie Kirschlorbeer verzichten
  • Alte, samenfeste Gemüse- und Obst-Sorten anbauen
  • Laub für Insekten und andere Gartenbewohner aufschichten
  • Totholz-Ecke bereitstellen
  • Nistkästen anbringen / im frühen Herbst säubern
  • Vogelfutter bereitstellen

Habt ihr noch weitere Tipps oder Erfahrungsberichte? Lasst es mich gerne in den Kommentaren wissen! 🙂

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