Nachgefragt: Warum essen Veganer Fleischersatz?

by gruenartig

Interessierte und ernstgemeinte Fragen verdienen eine aufrichtige Antwort. Letzte Woche wurde ich an einem Tag von zwei verschiedenen Personen mit der gleichen Frage konfrontiert: Warum bauen sich Veganer Fleischprodukte nach? Die Hypothese: Wenn wir uns schon dazu entschließen, auf Fleisch zu verzichten, warum dann diese zwanghafte Nachahmung? Warum soll der vegane Fleischersatz möglichst echt aussehen? Ist das nicht ein Widerspruch? Grünartig wagt einen Erklärungsversuch.

Es gibt sie immer und überall. Diese wahnsinnig witzigen Zeitgenossen, die das grundsätzliche Thema ins Lächerliche ziehen und dann noch hinzufügen: “Ich bau mir doch auch kein Salatblatt aus Hack”. Haha. Dass dieser Witz als Argument wohl kaum gelten kann, brauche ich hier wahrscheinlich nicht zu erläutern. Bei der oben genannten Frage geht es doch viel mehr darum: Wer kein Fleisch mehr essen möchte, hat sich bewusst entschlossen, nie wieder Schnitzel zu essen. Veganer haben anscheinend persönlich etwas gegen Fleisch, warum bauen sie es sich dann nach? Und: Wenn durch Fleisch eine negative Assoziation hervorgerufen wird, dann kann ein pflanzliches Schnitzel wohl kaum appetitlich wirken?!

Vorweg: Ich versuche im Folgenden nur meine persönlichen Gründe für Fleischersatzprodukte so gut wie möglich differenziert darzulegen. Ich maße mir nicht an, dass dies die Meinung aller Veganer wäre. Wer sich in den genannten Punkten so gar nicht wiederfindet oder gar heftig widerspricht, der kann mir gerne einen Kommentar hinterlassen. Ich freue mich auf einen Austausch zu dem Thema. Bis dahin folgen hier meine fünf Argumente für vegane Ersatzprodukte:

 

#1: Fleischersatz erleichtert den Einstieg in die vegane Ernährung

 

 

Zu Beginn meiner veganen Ernährung stand ich vor der Frage: “Ohje – und was esse ich jetzt morgens auf dem Brötchen?” Jeden Tag Marmelade? Hilfe! Inzwischen kenne ich super viele leckere Aufstriche und esse quasi vielfältiger als zuvor. Doch zu Beginn war es mir eine große Erleichterung, auf die “altbewährten” Wurstscheiben zurückzugreifen. Nur eben in Vegan. Und ich glaube auch, dass durch solche Fleischersatz-Produkte einige Nicht-Veganer leichter an die Ernährungsform herangeführt werden. Ich jedenfalls höre seltenst den Spruch: “Was kannst du denn jetzt überhaupt noch essen?”, sondern viel eher “Ah, ja – ich habe letztens auch mal eine leckere vegane Wurst probiert.”

 

#2: Ich fand Fleisch extremst lecker, ich verzichte nur aus moralischen Gründen darauf.

 

 

Ich verzichte nicht etwa auf Fleisch und Fisch, weil ich etwas gegen das Nahrungsmittel an sich habe. Oder weil es mir nicht schmecken würde. Ich verzichte darauf, weil ich meinen eigenen Genuss in Relation als unwichtig empfinde. Zumindest so unwichtig, dass ich damit das Leid der Tiere niemals rechtfertigen könnte (Mehr dazu unter “Warum Vegan“).

Und Ersatzprodukte gibt es auch außerhalb des Veganismus’ in vielfältigster Form. Denkt nur mal an die ganzen Zucker-Ersatzstoffe, wie Stevia, Xucker und Co. Oder viel simpler: Bärlauch statt Knoblauch, um der lästigen Fahne zu entgehen. Alle haben Eines gemeinsam: Man möchte nicht auf den Geschmack verzichten, aber lästige Nebenerscheinungen minimieren. Sei es der hohe Kaloriengehalt oder eben die schlimme Tierhaltung.

Klar finde ich es einerseits schade, auf leckere Fleischgerichte zu verzichten, die ich jahrelang regelmäßig gegessen habe. Darum ist es doch superpraktisch, wenn ich heute vegane Frikadellen für einen Burger verwenden kann. Und wisst ihr was: Auch die finde ich extremst lecker.

Man darf dabei nur nicht vergessen, dass eine ausgewogene Ernährung das A und O ist. Wer als Veganer von Tofuwürstchen und Seitan-Schnitzel lebt, wird über kurz oder lang sicherlich eine Mangelerscheinung erhalten. Viel Obst und Gemüse muss IMMER die Basis unserer täglichen Ernährung sein.

 

#3: Kindheitserinnerungen Veganisieren

 

 

Hand aufs Herz – wir schwelgen alle gerne in Kindheitserinnerungen. Wie der Duft unserer Lieblingsgerichte durch das Haus zog und wir uns glücklich an den gedeckten Tisch setzen konnten. Seien es die Königsberger Klopse von Mutti oder die Senfeier von Oma – Zuhause schmeckte es immer am Besten.

Auch heute brauche ich nicht immer fernöstliche Quinoa-Buddha-Bowls mit tausenden Zutaten, um glücklich zu sein.

Manchmal tut es auch ein ganz einfaches Rezept aus Kindheitstagen, dass ich endlich vegan zubereite. Und wenn dazu ein Schnitzel in Pilzrahmsoße gehört oder die gute alte Currywurst – wer sollte etwas dagegen haben?

 

#4: Mit Anti-Veganer-Freunden/Familienmitgliedern Essen

 

Credits to: Der Artgenosse

 

Sie lauern auch im Freundeskreis: Die Nörgler. “Ihr kocht aber nicht vegan, oder? Dann esse ich nichts.”

Da juckt es mir regelmäßig in den Fingern, um diesen intoleranten (und trotzdem liebenswerten, weil dabei lustigen) Mitmenschen zu zeigen, wie gut die vegane Küche sein kann. Das Problem: Gemüse wird von diesen Personen verschmäht und damit fallen doch ehrlicherweise fast alle richtig guten Gerichte raus.

Klar, man könnte zwei Gerichte kochen, damit alle glücklich sind. Aber dann einigt man sich doch lieber auf den kleinsten gemeinsamen Nenner:

“Doch, es ist vegan. Aber ich verspreche dir: Es ist nicht gesund!”

 

 

#5: Die optimale Form sollte nicht nur Fleisch vorbehalten sein.

 

Credits to: Der Artgenosse

DAS Argument überhaupt, wenn es um die Verfechtung von Fleischersatz-Produkten geht: Die optimale Form. Schließlich hat sich über viele Jahr herausgestellt, dass man Wurst auf dem Grill einfach perfekt zubereiten kann. Sie lässt sich von jeder Seite wunderbar bräunen und wird dadurch gleichmäßig warm, ohne schnell anzubrennen.

Warum sollte diese Form dann den Fleischprodukten vorbehalten sein?

Gleiches gilt für Aufschnitt: Eine Scheibe rauf aufs Brötchen und das Frühstück ist fertig. Praktisch und lecker. Dass die veganen Ersatzprodukte also die Form des Bewährten annehmen, hat nicht nur etwas mit der Ästhetik, sondern auch mit dem praktischen Nutzwert zu tun.

Schließlich wächst die Wurst ja auch nicht direkt am Schwein, sondern muss erst durch Verarbeitung und Vermischung mit verschiedensten Gewürzen hergestellt werden.

 

Einschränkung:

Ein Blick in die vegane Fleischtheke - muss das alles sein?

Ein Blick in die vegane Fleischtheke – muss das alles sein?

Ich gebe zu, dass die aktuelle Veganwelle viele Anbieter auf den Markt schwemmt, die alles Erdenkliche Veganisieren wollen. Dabei greifen sie auf chemische Aromen, Stabilisatoren und Geschmacksverstärker zurück. Und das hat ganz sicher nichts mit einer gesunden, ausgewogenen pflanzlichen Ernährung zu tun. Brauchen wir irgendwelche eingefärbten und mit Fischaromen versehenen Vegan-Shrimps? Ich glaube nicht. Wie bei so vielen Themen gilt daher das bewährte Augenmaß und gesunder Menschenverstand. Lest euch die Verpackungsangaben durch – kommen darin Zutaten vor, die ihr nicht kennt? Dann zurück ins Regal. Was bringen euch gefakte Aromastoffe, die künstlich hergestellt werden? Oder kurz gesagt:

You are what you eat – so don’t be fast, cheap, easy and fake!

Ich selbst folge daher meiner eigenen Regel: Ersatzprodukte sind hin und wieder ok. Wenn sie mit wenigen Zutaten und echten Gewürzen hergestellt werden. Der Großteil der Ernährung sollte allerdings aus Obst und Gemüse, Hülsenfrüchten, Nüssen, Samen und etwas (Pseudo-)Getreide gedeckt werden. Wenig Zucker, wenig Fett. So wie es die gute alte Ernährungspyramide schon lange zeigt und so wie unsere Vorfahren vor Tausenden von Jahren gegessen haben.

Das könnte dir auch gefallen...

Leave a Comment

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.