Ich habe mich selbst nie als Feministin bezeichnet. Aufgeregt hat es mich trotzdem, wenn mein technisches Verständnis selbstverständlich in Frage gestellt wurde: “Dabei hat dir bestimmt dein Freund geholfen” Nein, hat er nicht. Ich kann einen Computer ziemlich gut allein bedienen. Auch wenn mein Kleidungsstil als “maskulin” bezeichnet wird. Was soll das denn bitte heißen? Der ärgerlichste Satz kam allerdings von einer Bekannten: “Ich bin eine Frau, ich hab’ Probleme mit logischem Denken”. Sollte bestimmt witzig sein – ich empfand es als verstörende Form der Selbsterniedrigung. Gesagt habe ich aber nichts – vielleicht weil der Begriff “Feminismus” einen so fiesen Beigeschmack hat.
Leben als Frau in Deutschland
Zugegeben: Wir haben es schon relativ gut. Es gibt freie Wahlen. Wir dürfen jeden Beruf aus freien Stücken wählen. Wir können so viel oder so wenig von unserem Körper zeigen, wie wir es selbst am Schönsten finden.
Richtig gleichberechtigt sind wir trotzdem noch nicht. Warum eigentlich?
Sichtbar wird der Unterschied zuerst beim Gehalt. Wir verdienen immer noch deutlich weniger Geld als Männer in der gleichen Position. Und das sogar schon beim Berufseinstieg. Mit Durchschnittlich 21,6% Differenz befinden wir uns damit unter den traurigen FLOP5 aller EU-Staaten. Es wird argumentiert, dass Frauen lieber in Mittelständischen Unternehmen arbeiten und Männer in großen Konzernen. Doch auch der bereinigte Effekt (ohne Auszeiten etc.) zeigt: Der Lohnunterschied liegt bei mehr als 7%.
Veraltete Rollenbilder
Hinzu kommt, dass Frauen immer noch mit vielen Vorurteilen und veralteten Rollenbildern zu kämpfen haben. Das fängt schon mit “Gender-Marketing”an. Wenn Leselernbücher mit Piraten für Jungs sein sollen und die mit den Pferden für Mädchen. Das allein mag noch nicht so dramatisch wirken, aber führt doch dazu, dass sich schon Kinder mit einem für sie vorgesehenem Interessensgebiet identifizieren sollen. Kleine Jungs dürfen nicht mit Pferdchen spielen? Das ist doch ungerecht. Die Unterscheidung ist in unseren Köpfen trotzdem noch vorhanden – dabei würden wir z.B. einen Kugelschreiber für Menschen mit blauen Augen als total merkwürdig empfinden.
Und der Unsinn geht immer weiter, weil viele Menschen offenen Sexismus als “normal” hinnehmen. Bei einer Wahl zum Sportler des Monats wurden beispielsweise alle männlichen Finalisten in ihrer Sportumgebung, die Frau hingegen in Unterwäsche abgebildet. Bloggerin dariadaria hat dies kritisiert und dafür sehr treffende Worte gefunden. Das Österreichische Olympische Comitee war sich indes keiner Schuld bewusst. Und die Sportlerin Anne Gasser? Findet die Debatte übertrieben. Ich weiß nicht, welches Verhalten ich schlimmer finden soll.
In der Wirtschaft wird es noch deutlicher. Nehmen wir mal die große Debatte aus den USA um Sheryl Sandberg beiseite (die bei ihrem Jobwechsel zu Facebook schwanger war und sogleich als Rabenmutter bezeichnet wurde). Wenn hier in Deutschland einer großen Verlagschefin im ZEIT-Interview unterstellt wird, der Umsatz des Unternehmens würde aufgrund der hohen Frauenquote zurückgehen, dann ist das in meinen Augen mehr als nur bedenklich. Insbesondere da ein paar Sätze später gefragt wird: “Wieso läuft es für Sie im Anzeigenmarkt besser als für viele Wettbewerber?”. Diese Frage natürlich ohne Verweis auf die Frauenquote.
Ich könnte stundenlang Beispiele aufzählen und würde doch nicht den Kern des Themas treffen.
Die wahren Feminismus-Gegner
Es stimmt: Wir haben und hatten ein Problem mit dem Patriarchat. Es wird wohl leider immer Männer geben, die (versuchen) einer Frau ihre Rechte streitig zu machen. Und wir haben immer noch ein drastisches Problem mit sexualisierter Gewalt. Aber es gibt gerade in der heutigen Zeit auch sehr viele Männer, die den Feminismus unterstützen und ihren eigenen Vorteil darin sehen. Zum Beispiel weil sie auch endlich selbst die Kinderbetreuung übernehmen können, ohne von allen Seiten schief angeschaut zu werden. Das ist schön und es wird immer mehr. Im Gegensatz dazu gibt es aber leider viele Frauen, die den Feminismus bewusst und unbewusst manipulieren. Nicht nur, weil sie über die dämlichen Witze von Mario Barth lachen.
Die glücklichen Sklaven sind die erbittertsten Feinde der Freiheit.
Marie von Ebner-Eschenbach
Ein schönes Beispiel liegt in dem aktuellen “Skandal” rund um Emma Watson. Diese hatte sich in der Modezeitschrift Vanity Fair leicht bekleidet ablichten lassen. Und nun wird sie kritisiert, dass sie dies als Feministin nicht tun dürfe. Und von wem geht diese Kritik aus? Von einer Frau! Die Journalistin Julia Hartley-Brewer schreibt auf Twitter:
Emma Watson: “Feminism, feminism… gender wage gap… why oh why am I not taken seriously… feminism… oh, and here are my tits!”
Die Frage, die sich daraufhin nicht nur Emma Watson stellt, ist doch eher: Was haben ihre Brüste damit zu tun? Kann eine Frau nicht ernst genommen werden, obwohl Sie in einer Fotostrecke über Rebellische Frauen ein einziges Bild leicht bekleidet aufnimmt? Warum sollten Frauen zugeknöpft sein, um eine Stimme zu haben?
Finden diese Fälle nur im Internet statt?
Nein, auch außerhalb der öffentlichen Diskussion begegnen uns privat Sexismus-Fälle die klar von Frauen ausgehen. Das sind zum Beispiel die ewigen Diskussionen, wenn Kinder nicht zur Lebensplanung gehören. Von Unverständnis über ungefragte Ratschläge bis zum blanken Entsetzen. Und dem platten Kommentar: “Auch deine Uhr fängt noch an zu ticken”. Aha, und falls nicht? Wer schreibt frau vor, dass es ihr Lebensinhalt sein sollte, Kinder zu bekommen?
Es sind auch die harmlosen Randbemerkung und offensichtlich herablassendes Verhalten am Arbeitsplatz. Die “Stutenbissigkeit” kann man als Wort zwar in die blöde Klischeekiste verbannen, aber so etwas Ähnliches begegnet mir immer wieder. Frauen, die andere Frauen wegen Nichtigkeiten klein machen. Und von Frauen, die in gefestigten Gruppen agieren und alle anderen bewusst ausschließen, könnte ich viele Geschichten schreiben.
Dabei wird unserem Geschlecht doch immer Sozialkompetenz zugeschrieben. Empathie und Sanftheit. Wenn das stimmt: Warum nutzen wir diese Stärke nicht viel mehr zu unserem Vorteil? Indem wir uns gegenseitig unterstützen und einander akzeptieren, egal welche Ziele wir verfolgen.
Wenn wir es nicht untereinander tun – warum sollten wir es von Männern erwarten?
Literatur-, Blog- und Veranstaltungstipps
Stand Up – Feminismus für Anfänger und Fortgeschrittene von Julia Korbik. Ein super schön illustriertes Buch, das einen guten Einstieg in die Materie bietet.
Lean In – Frauen und der Wille zum Erfolg von Sheryl Sandberg. Der Lebenslauf der Facebook Finanzchefin. Unterhaltsame Lektüre rund um die Vereinbarkeit zwischen Familie und Beruf.
Missy Magazine – Das Magazin für Pop, Politik und Feminismus. Ist jünger als Emma und betrachtet Aspekte rund um Feminismus auf eine coole, unverkrampfte Art.
femtastics – Das digitale Magazin für girlpower mit tollen Homestories und Interviews über interessante Frauen.
Edition F – das digitale Zuhause für starke Frauen enthält täglich neue Artikel und eine Jobbörse mit Karrieretipps.
Sisters March – heute Abend (08.03.) in Hamburg. Gemeinsam für Solidarität und Gerechtigkeit.
dariadaria. Bloggerin Maddie greift regelmäßig Themen rund um Nachhaltigkeit, Gleichberechtigung und Fair Trade auf.
Nachwort
Der Feminismus ist ein mehrdimensionales und wirklich umfassendes Thema. Ich stehe gerade noch am Anfang und bilde mir nicht ein, mit diesem Beitrag ein auch nur annäherndes Abbild der Wirklichkeit abzubilden. Ich möchte zum Nachdenken anregen, damit ihr euch selbst mit dem Thema auseinandersetzen könnt. Kritik, Fragen und eigene Erfahrungen könnt ihr gerne mit mir in den Kommentaren teilen.
5 comments
Nice one!
Danke 🙂
Liebe Jassi,
ein toller und wichtiger Artikel – danke dir dafür!
Das Lesen hat Freude gemacht – nicht nur des Inhalts, sondern auch der Aufbereitung wegen. Ich finde es sehr gut, dass du dich mit dem Thema auseinandersetzt und habe mich gefragt, ob ich Ähnliches vielleicht selbst bald einmal angehen sollte. Denn da sind viele Dinge, die es zu sagen gibt – und viele Menschen, die nach wie vor zum Nachdenken angeregt werden sollten. Ich glaube, man kann solche Dinge gar nicht oft genug wiederholen – das Zitat von Ebner-Eschenbach finde ich übrigens mehr als treffend, auch und gerade in diesem Zusammenhang. Es ist erschreckend, wie viele Frauen sich mit der ihr immer noch mehrheitlich zudiktierten Rolle identifizieren und (noch schlimmer) das nicht einmal merken und von anderen Frauen dasselbe erwarten…
Danke für den wertvollen Input!
Liebe Grüße
Jenni
Liebe Jenni,
danke für deine lieben Worte 🙂 Ich finde das Zitat auch soooo passend. Ich würde mich freuen, bald auch bei dir zu diesem Thema zu lesen. Du findest ja immer interessante Neu-Ansätze 🙂
Liebe Grüße
Jassi
Hallo meine Liebe,
ich bin gerade so froh, dass ich durch deinen (so lieben!!!) Kommentar auf deinen Blog gestoßen bin! Er gefällt mir wirklich wunderbar gut, das Layout und deine Bilder sind total ansprechend und der Text hier total spannend. Genau heute hatten wir in der Uni eine Stunde zur Rolle der Frau in Filmen , wie passend. Ich bin ganz deiner Meinung was das Thema angeht…
Liebste Grüße
Lea